Umbrüche in der Medienindustrie

Matthias Schwenk berichtet von seinen Eindrücken von der Buchmesse. Interessant ist u.a. das hier:

Ein Gefälle zeigte sich aber auch in anderer Hinsicht: Während die großen (namhaften) Verlage alle mehr oder weniger stark schon an Konzepten und Strategien arbeiten, die weit über die aktuellen Internetauftritte hinausreichen, fehlt es den kleinen Häusern an Wissen und mehr noch an personellen Ressourcen. Die Stimmung schwankt zwischen einem “das gedruckte Buch wird schon nicht tot zu kriegen sein” und einem “hoffentlich geht es uns nicht so wie der Musikbranche”.

Ja, hier wiederholt sich in vielem die Geschichte der Musikindustrie. Was tun? Um die Umwälzungen in der Medienindustrie zu bewältigen sind Kreativität und ergebnisoffenes Herangehen an die Veränderungen notwendig – Ressourcen schaden zwar nicht, sind aber für den Erfolg im Long Tail Markt nicht zwingend. Wichtiger sind eine ausgeprägte Kundenorientierung und ein Gespür für den (Nischen-)Markt, und da sollten kleinere Verlage eigentlich die Nase vorn haben.

  1. Beim Thema “Gespür für den Nischenmarkt” haben kleine Verlage sicher die Nase vorn, allerdings steht hier oft der inhaltliche (literarische, thematische) Anspruch im Vordergrund. Die meisten Verlagsmenschen sind eben keine ausgemachten Marketingprofis, schon gar nicht, wenn’s um cross-mediale Konzepte geht und um die Möglichkeiten, die das Internet bietet, um in Nischen sehr erfolgreich zu sein. Und noch ein wichtiger Punkt: Der einzelne kleine Verlag wird allein im Long Tail nicht erfolgreich sein. Da bedarf es eines Katalysators, der die vielen kleinen zusammenbringt und die kritische Masse der Gesamtheit des Long Tails in den Markt bringt.

    Im übrigen gilt in der Belletristik das gleiche auch für die großen Verlage (in der Fachliteratur spielt der Name des Verlages für den Leser eine viel größere Rolle): Kein Leser wird es sich antun, zig Verlagsseiten anzusurfen, die er im Zweifel nicht einmal kennt. Auch hier bedarf es eines Angebotes, das (der Buchhandel wäre hierfür prädestiniert) eine Multiplikatorfunktion übernimmt. Amazon tut da übrigens schon einiges – bisher zum großen Teil in den USA und ohne die vielen guten Ansätze bisher intelligent zu verknüpfen.

  2. Ja, sehe ich genauso. Es stellt sich die Frage wer oder was der Aggregator sein kann – Amazon könnte das sicher leisten und den Long Tail für breite Kreise erschließen. Ich denke schon, dass Amazon hier einen Startvorteil hätte – insbesondere gegen ein wie auch immer verortetes Konkurrenzportal.

    Allerdings stellt sich dann noch die Frage nach Gewinnverteilung – d.h. wieviel vom Endpreis geht an den Verlag und den Autor bzw. wieviel an Amazon?

    Eine als “ungerecht” empfundene Gewinnverteilung lockt unweigerlich Konkurrenten bzw. sogar (disruptive) Innovatoren an.

    Ich könnte mir da bspw. gut vorstellen, dass im Zuge von “printing-on-demand” neue Akteure in den Markt kommen, die wie Lulu.com direkt Autoren und Leser verbinden und damit die Intermediärsfunktion von Verlagen zum Teil ersetzen. Dies dürfte dann wiederum kleine Nischenverlage zuerst treffen …

  3. Zu den Aggregatoren: Vermutlich wird es mehrere geben. Jeder Verlag sollte zunächst Traffic auf seine eigene Website ziehen können (durch Vernetzung im Web 2.0). Dann sollte er auf Plattformen wie Amazon vertreten sein, aber vielleicht auch auf (neu zu schaffenden) thematischen Communities. Und schließlich sollte er Werbung im Netz “streuen”, etwa auf MySpace oder Facebook.

    Damit tritt aber neben die Beziehungen zum Großhandel, zum Buchhandel selbst und den Agenten bzw. Vertretern ein ganz neues “Beziehungsgeflecht” im Internet dazu (mit ganz anderen Spielregeln). Und das ist es, was ich mit dem Mangel an Wissen und personellen Ressourcen gemeint habe. Die kleinen Verlage tun sich da vermutlich schwerer als große, sich das zu erarbeiten und professionell zu nutzen.

  4. Matthias, das ist ein interessanter Gedanke – sowohl in Bezug auf die Spielregeln als auch in Bezug auf die notwendigen Kompetenzen.

    Ich bin zwar kein Freund des ungenauen Begriffs “Medienkompetenz”, aber manchmal habe ich schon das Gefühl, dass wir in D (und nicht nur Verleger oder Agenten) hier Nachholbedarf haben … dazu gehört dann u.a. auch Blogmarketing bzw. Blogmonitoring – sprich grundlegende Sachen, die auch ohne ausuferndes zeitliches Engagement möglich sind.

    Aggregatoren wären vermutlich gut beraten wenn sie zusätzlich Social Networking Funktionalitäten anbieten würden – und sei es nur um die Vernetzung der Akteure im Long Tail-Markt zu fördern.